Bereits neunmal hat es im Leverkusener Kasten eingeschlagen. Vor dem Gipfeltreffen in München stellt sich die Frage: Wie bekommt Xabi Alonso Bayer hinten wieder dicht? Der Trainer hat einige Ansatzpunkte – und einen Faktor, den er nicht beeinflussen kann.
Für schon neun Gegentore gibt es verschiedene Ursachen
Es ist nur eine Statistik. Zudem eine nach nur vier Spieltagen. Und dennoch lässt die Zahl aufhorchen: Bayer 04 hat in dieser Saison bereits neun Gegentreffer kassiert – vergangene Spielzeit waren es am Ende nur 24. Möchte man es noch dramatischer ausdrücken, hat sich die Gegentor-Quote pro Spiel gegenüber der Meistersaison von 0,7 auf 2,25 mehr als verdreifacht.
Wenn dann auch noch im nächsten Spiel der FC Bayern München der Gegner ist, der in dieser Saison im Schnitt vier Treffer pro Partie erzielt, dann weiß nicht nur Xabi Alonso, worin die wichtigste Aufgabe des Leverkusener Trainers besteht. Bayer muss hinten wieder dicht werden. Doch welche Ansatzpunkte ergeben sich für den Spanier?
„Wenn wir mit dem Ball keine Stabilität haben, kann alles passieren.“ (Xabi Alonso)
Eine Ursache hat der 42-Jährige im Leverkusener Ballbesitzspiel ausgemacht, in dem dem Meister zu früh und zu viele Ballverluste unterlaufen, bevor die Mannschaft sich tief in der gegnerischen Hälfte kompakt formiert hat. Was aber die Voraussetzung dafür darstellt, nach Ballverlust gut ins Gegenpressing zu kommen. Xabi Alonso nennt das Bayer-Spiel dann „zu wild“ oder „zu verrückt“. Unkontrolliert eben, weil es dem Gegner Räume und damit Konterchancen eröffnet. „Wenn wir mit dem Ball keine Stabilität haben“, betont der Trainer, „kann alles passieren.“
Doch es geht nicht nur um diese Anfälligkeit für Konter, die Bayer beispielsweise gegen Leipzig zeigte, sondern es gibt weitere Punkte, die verbesserungswürdig sind. Wobei der Treffer zur Wolfsburger 3:2-Führung bei Leverkusens 4:3-Sieg exemplarisch quasi alle Mängel in einem Spielzug des Gegners aufzeigte. Als da wären:
Eine höhere Pressinglinie könnte gegen die Passivität helfen
Passivität. Svanbergs Treffer entstand nicht aus einem Wolfsburger Konter, sondern vielmehr brachen die Gäste in ihrem Positionsspiel einen Angriff auf der rechten Seite ab: Amoura spielt zurück zu Fischer, der zurück an die Mittelinie zu Bornauw, der wiederum Koulierakis im Mittelkreis bediente. Drei banale Pässe mit dem Effekt, dass Koulierakis – so unbedrängt wie einst Franz Beckenbauer – bei seinem Pass auf den Torschützen den richtigen Zeitpunkt abwarten konnte. Das Problem: Attackiert Bayer nicht hoch und aggressiv, verfällt die Mannschaft leicht in eine zu abwartende Haltung, erzeugt keinen Druck auf den Ballführenden.
Die Lösung: Die Werkself muss wieder aktiver Verteidigen. Eine höhere Pressinglinie könnte dafür auch das entsprechende psychologische Signal für die sonst zu passiven Bayer-Profis darstellen.
Bayers Abwehrkette steht zu tief, die Wege werden zu weit
Zweikampfverhalten. Svanberg hatte sich in dieser Szene im Rücken der Sechser, in diesem Fall Xhaka, freigestohlen. Folglich musste Edmond Tapsoba als rechter Innenverteidiger aus der Dreierkette nach vorne stechen, um den Schweden zu stoppen. Doch dies tat er nicht kompromisslos, ließ sich einfach ausspielen. „Edi war nicht früh genug auf dem Sprung nach vorne“, analysierte Xabi Alonso, „er war zu soft.“ Auch beim 2:3 gegen Leipzig hatte Xabi Alonso die zu weiche Zweikampfführung moniert. Die auch mit daran liegt, dass die Spieler in solchen Szenen etwas zu spät kommen, weil die Abstände zwischen den Mannschaftsteilen zu groß sind und so die Wege zu weit werden.
Kreativabteilung, Schaltzentrale, Taktik: Bayern und Bayer im Vergleich (k+)Gelassener Tah ohne Revanchegelüste zum Gipfel nach MünchenWarum Xhaka unter Leverkusens Laissez-faire doppelt leidet
Die Lösung: Die Positionierung der Abwehrkette muss verbessert werden, die letzte Linie weiter nach vorne rücken. Ein, zwei Schritte nach vorne, näher an die Doppelsechs heran, bewirken da schon viel. Kann dann nämlich ein herausstechender Innenverteidiger den Gegner zwischen den Linien bereits vor und nicht während oder gar nach dem Aufdrehen stellen. Svanbergs Treffer für Wolfsburg hätte so wahrscheinlich verhindert werden können.
Defensiv funktioniert Aleix Garcia noch nicht
Taktische Disziplin. Bayer ist zu anfällig durchs Zentrum. Auch wenn der Svanberg-Treffer mit den oben beschriebenen Mitteln wohl verhindert hätte werden können, gewährt Bayer dem Gegner zu oft Freiräume zwischen Abwehrkette und Mittelfeld. „Dieser Raum war nicht besetzt. Das war ein Grund. Vielleicht muss da ein Spieler in dem Raum sein“, räumt Xabi Alonso ein. Aleix Garcia, der sich zuvor viel weit aus dem Zentrum hatte herausziehen lassen, hatte zu viel Abstand zu Xhaka, erkannte als zweiter Sechser die Situation zu spät, konnte so gegen Svanberg gar nicht mehr eingreifen. Defensiv funktioniert der spielstarke Spanier noch nicht.
Die Lösung: Mit Andrich und Palacios, der nach seiner Meniskusoperation bald, aber wohl noch nicht in München ein Thema für die Startelf sein wird, verfügt Xabi Alonso über defensiv stärkere Sechser als Aleix Garcia, die zudem mit Xhaka gut eingespielt sowie abgestimmt sind und zudem auch besser auf dem Platz kommunizieren.
„Im Fußball hängt es Details, an kleinen Fehlern. Die werden bestraft.“ (Granit Xhaka)
Es sind im Einzelnen keine gravierenden Probleme, die aber in ihrer Summe dem Gegner Chancen eröffnen. „Wir reden jetzt von kleinen Details“, weiß Xhaka, „aber im Fußball hängt es an kleinen Details, an kleinen Fehlern. Die werden bestraft.“ Von den Leverkusener Gegnern bislang mit ganz extremer Effizienz. 4,4 xGoals haben sich diese bislang gegen Bayer erspielt, aber eben nicht vier-, sondern schon neunmal getroffen. Das einzige Problem, das Xabi Alonso nicht lösen kann.