Während einer Talkrunde vor Studenten geben Mainz-Trainer Bo Henriksen und Stürmer Jonathan Burkardt persönliche Einblicke. Dabei setzen sie sich auch mit kritischen Nachfragen auseinander.
Trainer und Nationalspieler sprechen vor Studenten über mentale Stärke
Dass sogar Bo Henriksen (49) professionelle Hilfe im mentalen Bereich in Anspruch nimmt, dürfte für viele der gut 400 Anwesenden beim „Studi-Talk“ des FSV Mainz 05 im VIP-Bereich der MEWA-Arena die bemerkenswerteste Erkenntnis gewesen sein. Jener Trainer also, der die pure Energie verkörpert und damit im vergangenen Frühjahr eine deprimierte Mannschaft sowie ein schier verzweifeltes Umfeld förmlich mitgerissen hat zum angesichts der Ausgangslage sensationellen Klassenerhalt. „Es klingt verrückt“, sagt der Däne selbst, „aber auch ich habe einen Mentalcoach. Weil es in jeder Situation wichtig ist, zu lernen und sich zu entwickeln.“
Burkardts Zusammenarbeit mit einer Mentaltrainerin als Erfolgsfaktor
„Mentale Stärke“ lautete am Mittwochabend das Thema der Talkrunde, mit der sich die 05er traditionell zu Semesterbeginn im Herbst explizit an ein studentisches Publikum wenden. Neben Henriksen saßen NLZ-Sportpsychologe Konstantin Kuhlmann und Profi Jonathan Burkardt (24) als weitere Gesprächspartner auf dem Podium. Auch Burkardt, frischgebackener A-Nationalspieler und selbst als Sportbusiness-Management-Student an einer Fern-Uni eingeschrieben, berichtete von seiner Zusammenarbeit mit einer Mentaltrainerin. Wertvolle Unterstützung erfuhr er dadurch nicht nur beim Bewältigen seiner fast einjährigen, von körperlichen Rückschlägen geprägten Ausfallzeit 2022/23. Sondern verspürt sie auch ganz aktuell durch die Arbeit an einem „Mindset, das die Wahrscheinlichkeit erhöht, erfolgreich zu sein“.
„Ich habe nur einen Job: Den Jungs positive Energie zu geben, sie gedanklich frei zu machen.““ (Bo Henriksen)
Für Henriksen war Burkardt vom ersten Tag der Zusammenarbeit an „die Symbolfigur für eine Kultur des Gewinnens“. Weil, so die Begründung des Fußballlehrers, „Johnny es hasst, zu verlieren. Weil er immer daran glaubt, zu gewinnen, egal was vorher war. Und weil er das nicht nur ausspricht, sondern auch danach handelt“. Für Burkardt selbst „kommen Taktik und solche Dinge erst nach der richtigen mentalen Einstellung. Wenn die stimmt, wird es unheimlich schwer, dich zu schlagen.“ Was wiederum perfekt passt zu Henriksens selbst definierter Aufgabenstellung: „Ich habe nur einen Job: den Jungs positive Energie zu geben und sie gedanklich frei zu machen. Sie dürfen nicht zu viel denken – und dann wissen sie selbst ganz genau am besten, was auf dem Platz zu tun ist.“
Verzicht auf Social Media bedeutet für Burkardt eine Form von Selbstschutz
Gedankliche Freiheit bezieht Burkardt derweil ganz bewusst aus dem gezielten Verzicht auf Social Media. „Wenn du soziale Medien nutzt, erfährst du unheimlich viele neue Reize, die ins Unterbewusstsein eintreten“, erklärt der Profi, „doch das hilft dir nicht, dich aufs nächste Spiel zu fokussieren. Davor will ich mich schützen.“ Bestätigt sieht sich Burkardt gerade durch die jüngsten Beobachtungen im Kreis der Nationalmannschaft: „Auch da haben sich manche Kollegen darüber beschwert, wie viele Kommentare sie auf irgendetwas bekommen haben. Das beeinflusst jeden, zumindest 99 Prozent der Spieler.“
Henriksens Erklärung: „Eine neue Gruppe muss neue Beziehungen schaffen“
Auch wenn Burkardt und Henriksen angesichts ihrer Offenheit die Sympathien nur so zuflogen, blieb die eine oder andere kritische Nachfrage aus dem Auditorium nicht aus. So äußerte ein Anhänger ganz unverblümt den vielfach vorhandenen Eindruck, die 05er seien als Team „in dieser Saison einfach nicht mehr so heiß wie am Ende der letzten“, als es um alles oder nichts ging. Auch das wischten die Protagonisten nicht mal eben beiseite, Henriksen nannte die Frage nach dem Warum sogar „eine wirklich sehr gute“. Auf die er prompt eine profunde Antwort parat hatte: „Es sind ein paar Spieler gegangen und eine paar neue gekommen. Das bedeutet: Es ist eine neue Gruppe, die eine neue Kultur und neue Beziehungen schaffen muss. Darum dreht sich am Ende alles, und deshalb können Dinge anders sein als vor zwei, drei Monaten.“
Spieler und Coach sind überzeugt: Der Flow wird sich wieder einstellen
Dass der viel zitierte „Flow“ sich wieder einstellen werde, davon geben sich Burkardt und Henriksen indes gleichermaßen überzeugt. „Du suchst ein bisschen, und irgendwann kommt hoffentlich der Punkt, an dem du es findest“, sagt der Coach, „entscheidend ist, dass wir auf dem Weg dahin jeden Tag alles versuchen, die beste Version von uns selbst zu sein, und das tun wir.“ Dass es zur Verstärkung dessen auch gemeinsame Erfolgserlebnisse braucht, lässt der Fußballlehrer dabei nicht unerwähnt. Mit Blick aufs kommende Heimspiel gegen Gladbach erklärt Burkardt: „Mein Gefühl ist schon sehr positiv.“ Und Henriksen setzt sogar noch drauf: „Mein Gefühl ist fantastisch.“ Sollte der erste Heimsieg der Saison am Freitagabend trotzdem nicht gelingen, kann es jedenfalls nicht an einem Mangel an positivem Denken gelegen haben.