Karazor und die Türkei: Keine Minuten, aber Fragen

Auch gegen Island bleibt Atakan Karazor das Debüt für die türkische Nationalmannschaft verwehrt. Zuvor gegen Montenegro stand der Mittelfeldmann des VfB Stuttgart nicht einmal im Kader. Hintergrund könnten zumindest zum Teil die Vorwürfe der sexuellen Nötigung aus dem Jahr 2022 sein.

VfB-Kapitän zunächst nicht im Kader, dann ausschließlich auf der Bank

Damals war Karazor auf Ibiza mehrere Wochen in U-Haft gewesen und unter Auflagen sowie gegen eine Kaution von 500.000 Euro freigekommen. Der 28-Jährige beteuerte seine Unschuld, eine damals 18-Jährige hatte ihn angezeigt. Das Ermittlungsverfahren zieht sich offenkundig hin, was ob der Überlastung der spanischen Behörden nicht unüblich scheint. Eine Anklageerhebung jedenfalls ist bislang nicht erfolgt. Es gilt die entsprechende Unschuldsvermutung.

Kazanci beteuert: „Glauben, dass Atakan nicht schuldig ist“

Das untermauerte auch Ceyhun Kazanci, Vorstandsmitglied des türkischen Verbandes TFF und Nationalmannschaftsmanager: „Jeder ist unschuldig, bis seine Schuld bewiesen ist. Wir glauben, dass Atakan nicht schuldig ist.“ Hintergrund dieser Äußerung waren Fanproteste. Denn das Thema sexualisierte Gewalt kocht in der Türkei aktuell hoch.

Entsprechend wurde auch der Fall Karazor aus dem Jahr 2022 medial aufgegriffen, nachdem Nationaltrainer Vincenzo Montella den Mittelfeldmann des VfB für die beiden nun absolvierten Länderspiele nominiert hatte. Doch offenkundig bekam man beim Verband kalte Füße, zumindest erweckt der Ablauf der Dinge diesen Eindruck. Karazor wurde für die Partie gegen Montenegro (1:0) am vergangenen Freitag nicht in den Kader berufen. Aus technischen Gründen, wie es hieß.

Nicht-Einsatz lässt sich sportlich begründen, aber …

Am Montagabend in Reykjavik stand der 1,91-Meter-Mann zumindest im Kader. Aufs Feld geschickt hatte ihn Montella allerdings nicht bei dem 4:2 gegen Island. Wobei der Spielverlauf enorm eng war. Erst spät – in der 88. Minute und in der Nachspielzeit – erzielten Arda Güler und Kerem Aktürkoglu die beiden entscheidenden Treffer für die Türkei. Womit sich die Nicht-Einwechslung durchaus sportlich begründen lässt. Darüber hinaus war Karazor nicht der einzige Profi ohne Einsatzminuten in dem Lehrgang, auch den Ex-Schalker Ahmed Kutucu ereilte beispielsweise dieses Schicksal.

Allzu glücklich allerdings lief die gesamte Sache nicht. Zumal es in den vergangenen Jahren ein Hin und Her um die Nationalmannschaftsberufung Karazors gegeben hatte und der für die Verweigerung der Kaderberufung gegen Montenegro womöglich teilweise ausschlaggebende Grund, also der Ibiza-Vorfall, mehr als zwei Jahre zurückliegt. In der Türkei hätte diese Diskussion – ungeachtet der nun um das allgemeine Thema entstandenen Öffentlichkeit – niemanden überraschen dürfen.

Gut möglich, dass der VfB Erkundigungen einholt beim TFF

Der Umgang des Verbandes mit der Sache wirft also durchaus Fragen auf, zumal sich Karazor hätte „festspielen“ können, theoretisch ist ja auch ein Einsatz für die deutsche Nationalelf denkbar. Insofern ist es gut möglich, dass sich die VfB-Verantwortlichen in den nächsten Tagen bei den TFF-Funktionären über die Hintergründe informieren werden.

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