„Keine Excel-Tabelle“: Frankfurt und die Gratwanderung der Belastung

Sich in der Spitzengruppe der Bundesliga festsetzen: Was dem VfB Stuttgart vergangene Saison geglückt ist, ist dieses Jahr das Ziel von Eintracht Frankfurt. Auf diesem Weg muss der ein oder andere Spieler vor sich selbst geschützt werden.

Vorfreude auf das Duell mit „Vorbild“ Stuttgart

Nur gegen zwei Klubs ging die Eintracht in der Vorsaison in gleich beiden Duellen leer aus: gegen Meister Bayer Leverkusen und Vizemeister VfB Stuttgart. „Zweimal verdient“, kommentierte Dino Toppmöller die Niederlagen gegen die Schwaben (1:2 und 0:3) vor dem Wiedersehen am Sonntag (17.30 Uhr, LIVE! bei kicker). „Der VfB hat letztes Jahr eine großartige Saison gespielt und war für viele Mannschaften ein Vorbild, wie man mit einem guten Fußball, mit viel Fleiß und einer guten Akribie auch mal oben reinstoßen kann.“

Die Vorzeichen sind diesmal andere. Dem VfB fehlt in der Liga noch die Leichtigkeit der vergangenen Saison, sicher auch eine Folge der Mehrfachbelastung mit Blick auf die Champions League. „Letztes Jahr hatten sie immer relativ viel Zeit, zu regenerieren und sich dementsprechend auch vorzubereiten. Jetzt ist es anders“, so Toppmöller. „Es wird trotzdem eine harte Nuss und eine spannende Aufgabe. Wir fühlen uns bereit, wir sind gut drauf, wir haben alle richtig Bock auf dieses Spiel und wollen uns mit dem Gegner messen“, kündigte der Frankfurter Trainer an.

Theate gibt grünes Licht

Wenig Zeit für den Trainingsalltag zu haben, ist man beim europäischen Dauergast in Frankfurt gewohnt. Die kräftezehrenden 90 Minuten vom Donnerstagabend in der Europa League gegen Slavia Prag (1:0) habe das Team aber gut weggesteckt. Auch Arthur Theate, der nach einer guten Leistung angeschlagen vom Feld musste, habe am Freitag grünes Licht gegeben.

Angesichts des strammen Programms von neun Partien plus den anstehenden Länderspielen in den verbleibenden sechs Wochen bis Weihnachten schauen Topmöller und sein Staff genau auf die individuelle Belastung. „Wir haben dafür aber keine Excel-Tabelle“, erklärt der Coach. „Aber natürlich müssen wir ja auf die Jungs ein bisschen aufpassen, weil der ein oder andere da noch nicht so ein gutes Gespür für seinen Körper hat.“

Marmoush und der Kunstrasen

Es ist eine kleine Gratwanderung – auch durch den aktuellen Erfolgsflow bedingt. Omar Marmoush ist einer der Kandidaten, die es zuweilen zu Bremsen gilt: „Es zeigt ja seine Mentalität, wie er tickt und drauf ist, wenn ich ihn wie gestern nach 70 Minuten runternehme, er aber eigentlich gerne weiterspielen möchte.“Auf die anstehende Länderspielpause schauen die Hessen hinsichtlich der Ägypter mit Marmoush mit einem kritischen Blick. Toppmöller erklärt warum: „Sie haben ein Spiel auf einem Kunstrasen.“

Der Stürmer selbst ist dafür sensibilisiert. Bei der Eintracht hätten sie sicher nichts dagegen, würde Marmoush dieses potenziell verletzungsgefährdende Duell mit der kapverdischen Auswahl am kommenden Freitag nur von der Bank aus verfolgen: „Ich habe mit Omar auch schon drüber gesprochen, er wird das Gespräch mit dem Trainer dann auch suchen. Aber klar ist auch, dass er natürlich mit Stolz für sein Land spielt. Das ist auch wichtig und das finde ich auch gut“, so Toppmöller.

In Frankfurt hoffen sie natürlich darauf, dass Marmoush seinen wahnsinnigen Lauf noch eine Weile fortsetzen kann. Angesichts des enormen Pensums wäre es aber nur allzu menschlich, wenn der 25-Jährige nicht dauerhaft wie ein Außerirdischer kickt. Die Bilanz von 16 Torbeteiligungen in der Liga – bei insgesamt 23 Treffern – hat auch eine kleine Kehrseite: Was wäre nur ohne ihn?

„Ich glaube, es ist einfach so ein natürlicher Prozess, wenn vielleicht mal der ein oder andere schwächelt, dass dann der Moment für die anderen kommt. Wir sind vorne gut aufgestellt“, betonte Toppmöller. Dass sich außer Hugo Ekitiké (wettbewerbsübergreifend acht Tore und vier Vorlagen) bisher kein weiterer Offensivspieler dauerhaft in den Fokus rücken konnte, hat laut des Trainers einen entscheidenden Grund: „Genau auf diesen Positionen haben wir den höchsten Konkurrenzkampf: Bei sechs Spielern für nur zwei Positionen ist es nicht ganz so einfach, Spielzeit zu bekommen. Es kommt auch immer wieder darauf an, welches Profil wir brauchen.“

Was ist der wahre Gradmesser?

Der Plan gegen Stuttgart sieht auf jeden Fall die Rückkehr von Ekitiké in die Startelf vor. In der Europa League bekommt der Franzose regelmäßig Verschnaufpausen in Form von Jokereinsätzen. Zwischenzeitliche Hüftprobleme sind überwunden, sodass der VfB mit der gesamten Offensivwucht der Frankfurter rechnen muss. Bisher steht aus den Duellen gegen die Champions-League-Teilnehmer nur der eine Punkt aus dem 3:3 gegen den FC Bayern auf dem Konto. Gegen Dortmund (0:2) und Leverkusen (1:2) setzte es die einzigen Niederlagen der Saison.

Den Stempel „Gradmesser“ will Toppmöller dem Duell mit den Stuttgartern aber nicht aufdrücken. „Welches Spiel ist kein Gradmesser?“ fragt er. „Das Spiel gegen den VfL Bochum war auch ein Gradmesser. Wir spielen gegen den Letzten, wie kommt Frankfurt damit klar?“ Vermutlich hat er damit sogar recht. Denn wie nachhaltig der Erfolg der Diva vom Main ist, zeigt sich bekanntlich vor allen in den Spielen, die viele schon im Vorfeld als sicheren Sieg abhaken. Diesen speziellen Test hat die Eintracht vor einer Woche bekanntlich mit gleich sieben Toren auf beeindruckende Art und Weise bestanden.

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